Es
gibt mehr Leute als es sie nicht gibt, die ihr berufliches Tagesproblem
an jedem Morgen, und das ihr ganzes Berufsleben lang, immer wieder
von vorn anpacken in einer Weise, als hätte es das Problem
gestern, vorgestern, vorvorgestern nicht gegeben. Diese Leute
sind auf der einen Seite zu beneiden, aber sie sind auch zu bedauern. Zu
beneiden sind sie, weil ihnen das Bearbeitungsdetail genügt
ihnen fehlt der Drang, sich geistig zu erweitern (mehr wissen
als man braucht ist Völlerei). Zu bedauern
sind sie, weil die komplexeren Vorgänge an ihnen spurlos
vorüberziehen bis auf den einen, den sie gerade eher emotional
als rational beackern. Zu beneiden sind sie, weil sie immer von neuem diesen
jeweils einen Vorgang staunend analysieren und ihn, oft durchaus nicht
unintelligent, geistig wie körperlich mit ihren Befindlichkeitsreaktionen
belegen. Zu
bedauern sind sie, weil ihnen dadurch der Blick für die
Zusammenhänge der größeren Vorgänge, in die der ihnen
vorgegebene Vorgang eingebettet ist, verschlossen bleibt.
Zu beneiden sind sie, weil sie nicht einmal merken, dass ihre
befindlichkeitsgesteuerte Arbeit am Detail zu Lasten von
Zeitgenossen geht, die nun ihrerseits zu bedauern sind. Sind diese
Zeitgenossen Systementwickler und ist dieser eine es ebenfalls,
so macht sich die Unzulänglichkeit des einen für die gesamte Gruppe
in potenzierter Weise bemerkbar. Das, weil zu entwickelnde Systeme ja
materiell noch nicht da sind, sondern erst und lediglich in den Köpfen
der beteiligten Entwickler. In diesen Köpfen existiert das System je nach
der individuellen Fähigkeit, mit der von Anfang an die
anwenderbezogenen Konsequenzen aus dem später einmal realisierten System
richtig verstanden sein sollen. Die
Detailarbeit des einen Entwicklers (es können mehr als einer sein,
meistens sind es mehr als einer) am zu entwickelnden System wird
weder von den nicht mitentwickelnden Kollegen erkannt, beispielsweise von
Kollegen in den Produktionsabteilungen, noch von den mitentwickelnden
Kollegen aus anderen Disziplinen, die zur Entwicklung des Gesamtsystems erforderlich
sind. Die Entwicklerkollegen aus derselben Disziplin rennen mit ihren Klagen
über den am neuen Tag schon wieder von neuem über sein Detail staunenden
Kollegen in die Leere, niemand versteht sie, die Kollegen, schon gar nicht die Leute aus den
höheren Etagen. Es ist dabei nicht so, dass deswegen das System nach allen
ungezählten Detailverbesserungsbasteleien niemals ausentwickelt wäre.
Wer weiß schon, wann ein komplexes System wirklich ausentwickelt ist. Aber
was eine Systementwicklung kostet, das ist ja auch eine nicht gerade
uninteressante Frage. Für
die Hardware, wenn es sich beispielsweise um ein elektronisches System handelt,
hat man ungezählt oft ungezählte Layoutverbesserungen
ausprobiert, bis die eine, die letzte, mit an Gewissheit
grenzender Glaubenssicherheit auf ihre dauerhafte Funktionszuverlässigkeit
festgeschrieben wurde. Für die Software hat man ungezählt
oft in undokumentiert-toten Verzweigungen codiert, hat
undokumentiert-zeitstehlende Funktionsfüllsel erstellt, hat undokumentiert nie
benutzte Speicherplätze belegt, hat alles Wesentliche ohnehin nicht kommentiert
und alles Unwichtige unleserlich gelassen, bis endlich die eine, die letzte, die
abschließend-endgültige Programmfassung mit all ihren undurchschaubaren
Aufhänge-, Leer- und Unendlichkeitsschleifen, mit ihren überflüssigen Sub-
und Interruptroutinen, ihren heimlichen Stacküberläufen und Zufallszugriffen
auf modulare Never-Come-Back-Adressen ins PROM gebrannt, im EEPROM und auf der Harddisk
festgeschrieben, und hat dann dieses alles in die unsichere Hardware gesteckt
und das Ergebnis auf den Anwender, den ahnungslosen, naiven, den bezahlenden Kunden
losgelassen... ...es
sei denn, ja, es sei denn, dass eine solche Katastrophe
in einer geeigneten, konsequent durchgeführten Vorfeldarbeit verhindert worden war,
sie also gar nicht erst mitentwickelt werden konnte. Vorfeldarbeit
nämlich, aber auch allerdings, verlangt das folgende:
Vorfeldarbeit verlangt Intelligenzen,
die ein Detail im Zusammenspiel
aller beteiligten Details, die ein System im Zusammenhang aller
beteiligten Systeme rational-phantasievoll erfassen (seien die Systeme Hardware
oder Software, Maschinen oder Menschen). Vorfeldarbeit benötigt
neben Strategie, Systematik, Methodik, geistiges Durchhaltevermögen
auch Wahrheitsliebe statt Eigenliebe (Eigenliebe zeigt sich in der Unfähigkeit
zur Wahrheitsliebe, und Wahrheitsliebe ist jene Liebe,
die nach jener Wahrheit sucht, die sich mit der Wirklichkeit deckt oder decken wird). Das aber,
nämlich als erstes grundlegende Vorfeldarbeit zu leisten
und nicht unverzüglich das Eigentliche umzusetzen versuchen,
geht mehr Leuten wider ihre egoistische Arbeitslust als es Leuten
nicht wider ihre Arbeitslust geht, und so wird im Grundsatz der
Systemanwender immer damit leben müssen, dass das ihm
überlassene, unausentwickelte System
zu teuer, zu unpräzise, zu träge, zu fehlerhaft ist
wie gesagt: von einigen seltenen Ausnahmen abgesehen,
die in einem eigens dafür eingerichteten Weltbuch rühmlich
ausgewiesen werden sollten.