Mittelschullehrer Hubertus Jessel
(1915-2008) zähmte wilde Klassenjungs
(bei uns 24) die Klassenmädchen (bei uns 6) waren nicht wild
mit klaren Worten und Ansagen, vor allem mit klaren Aufgaben, so, wie diese eine ist: Allkameradschaftliche
Gemeinschaftsarbeit mit Vorstellung am Strand zum Festjahr Wenningstedt 1859-1959.
Und wen können wir hier
sehen: Klaus Möller, Jürgen Emig, Reinhard Manko, Peter Voss, Manfred Zikowski, Karl Dabelstein, Bernhard Ipsen,
Peter Thies Clemenz, Adolf Matzkus, Asmus Paulsen, Rolf Meyerhoff, ?, Erich Andersen, Dieter Tonn, Elke Gantzel, Sylta Schönfeld,
Jenny Habeck, Heinke Wenzel, Ingid Kuhring.
Mittelschullehrer Reinhard Breckwoldt (1904-1956) zeichnete eine große Nachsichtigkeit gegenüber renitenten Schülern aus, es sei denn, sie wollten die weit gesteckte Grenz- überschreitungslinie auf den letzten Meter erreichen. Seine Gutmütigkeit wurde hin und wieder von bösen Halbstarkbuben versuchsweise missbraucht, um ihn in eine peinlich werdende Falle laufen zu lassen. War man friedlich gesonnen, machte Musik, verhielt sich in der Öffentlichkeit anständig, so kamen ihm Bezeichnungen wie Dunkelmänner und Eckensteher nicht in den Sinn, außer, wenn man gerade eine Spelunke oder Bierkneipe verließ. Er war unser Klassenlehrer, lehrte uns Mathematik, Physik und Chemie. Im nördlichen Trakt des Schulgebäudes wohnte er mit seiner Familie, unmittelbar an einer Straße gelegen, die infolge Zunahme des Autoverkehrs verbreitert worden war. Das wurde ihm zum tödlichen Verhängnis. Eines Tages eilte er aus seiner Haustür und die vorhandenen drei Stufen hinunter und geriet vor ein herannahendes Kraftfahrzeug. Bei allen Menschen, die davon hörten, oder die es in der Zeitung lasen und die seine lautere Persönlichkeit wertschätzten, stellte sich Trauer ein.
Eine gewichtige Person namens Sanio wachte vor dem Portal des Spielcasinos in uniformartiger Livree. Niemand Unwürdiges kam casinoeinwärts an ihm vorbei. Gut, dann eben nicht man konnte ja auch die autobefahrene Friedrichstraße entlang schlendern. Ecke Maybachstraße gab es Gustav Wilkes Drogeriefiliale. Das Hauptgeschäft lag an der Strandstraße, von wo aus ich bevor die nicht nur geliebten Hausaufgaben angegangen wurden und auch, um mir ein kleines Geld zu verdienen auf Order des betagten Chefs Kisten und Kasten per Sackkarre zur Filiale schob und beim weißbekittelten Drogistensohn ablieferte. Friedrichstraßenaufwärts standen beidseitig gemütlich wirkende Geschäftshäuser, erst in Höhe Promenade waren von Mittelherbst bis Mittelfrühjahr viele Schaufenster mit starken Brettern vernagelt kaum wegen schlimmer Kerle, aber doch wegen schlimmer Stürme. Dann konnten einem auf den Straßen salzigweißgelbe Schaumfetzen um die Ohren fliegen. Nicht jede unvernagelte Fensterscheibe hielt starken Sturmböen stand. Oft ließ auch die Kraft der Brandungsbrecher in wenigen Stunden viele Kubikmeter Kliffsubstanz abstürzen. Seit langem schon kann man aus einem der Westfenster des Gebäudes oben auf dem Kliff geradenwegs 15 Meter tief auf den Sandstrand springen solange es dieses Gebäude denn überhaupt noch gibt.
Günter Schröter, geboren in Schleiz/Thüringen, während des Krieges als U-Boot-Funkoffizier verpflichtet, aus 30 m Ärmelkanaltiefe unter britischem Ortungsbeschuss einzeln notauftauchend (was nicht jedes Besatzungsmitglied überlebte), Radio- und Fernsehtechniker- meister, bei dem ich Ende 1959 meine zweite Lehre antrat Günter Schröter also war ein nervös-sensibler, reell und real denkender, ehrenhafter Mann mit dem Werkstatt-Motto Erst Gehirn einschalten, dann handeln. Die Schallplattenbar mit der sympathischen Reihe junger kompetenter Berater- und Verkäuferinnen unterstand Ehefrau Wera, geb. Klein aus List. Antennenbau, Verkauf, Reparatur und Instandhaltung aller möglichen Groß- und Kleingeräte, dazu das Abliefern von neuen oder reparierten Fernsehgeräten und Kombitruhen bei Normalbürgern oder wohlhabenden, manchmal knickrigen, manchmal trinkgeldspendablen Hausbesitzern in Kampen und anderswo gehörte zur Arbeit des reichlich angestellten technischen Personals. Auch kamen ins Geschäft, mehr noch in die Schallplattenbar viele illustre zeitgenössische Gesangs- und andere Künstler aus allen bundesdeutschen Ländern und weit darüber hinaus, auch, um sich zu erkundigen, wie hoch ihr Kurs steht im Glauben, dass der an Verkaufszahlen einzuschätzen war.
Allerlei zeitgenössische Künstler der Instrumental- und Vokalmusik, der Pantomime, des Sports, Schauspiels, Films, des Fernseh- und Hörfunks, so manche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Industrie gehörten zum großen insularen Kundschaftskreis dieses Radio- und Musikhauses Günter Schröter an der Friedrichstraße. Besondere Begegnungen beschreibe ich im autobiografisch durchsetzten Roman Kein verschwendetes Jahr, wobei jene mit Valeska Gert in ihrem Kampener Ziegenstall für mich die prägnanteste war, einmal Gert Fröbe dabei. Warum erwähne ich das? Nun, weil es diese Menschen gab und weil es in Kampen die Whisky-Straße gab und Starmixer Karlchen Rosenzweig (Elternhaus an der Westerländer Bastianstraße) und Manne Pahl und Werner Höfer (zuerst in Wenningstedt bei Frau Erdmann in ihrem Hotel) und Riecks Kupferkanne mit dem Kellergewölbe-Kuschellokal und die Ententanz-Zeit im Pony mit Lilly Blessmann, von der Freddy Quinn behauptete, sie sei (nur) seine Managerin, und weil es einem arabischen Ölscheich in Verantwortung gegenüber den zahlreich eingeladenen Party-Gästen in seinem Strohdach-Palast am späten Abend nicht gelang, den Zehnerstapel Langspielplatten im gestern gelieferten neuen Kombi-Schrank zu wenden mit der Folge eines Notanrufs, der mich erreichte, weil an just diesem Tag ich laut Plan an der Reihe war, ich also nach Kampen fuhr und die Angelegenheit klärte plus Einweisungswiederholung, verabschiedet vom Palastbesitzer mit einem Brief, in dem sich als Ergänzung seiner Dankesworte einige Geldscheine befanden, deren Wert sich stark der Hälfte eines monatlichen Gesellengehalts näherte. Langer Satz, aber auch beeindruckender Inhalt.