Modje bedeutet syltfriesisch Großmutter. Modje Hanna aus Morsum war Vaters Großmutter. Als er mit sieben Jahren die angezündete Zigarette eines Lausbuben an die Lippen führen wollte, nahte eine Nachbarin. Der Glimmstengel verschwand in der Hosentasche und sorgte für ein qualmendes Hosenloch. Von der Nachbarin nach Haus gezogen, war Hannas Stellungnahme: Aber dass er das so schnell schon konnte! Hanna war gutherzig und stark. Ihr Mann, Sehstedt Andersen (1849-1889) aus Archsum, und sie beschäftigten zwei Knechte, die an einem heißen Tag eine Leiter mit angebundenem halben Schwein unter die Scheunenluke tragen sollten. Sie pausierten im Gras und erhoben sich nicht sogleich. So trug Hanna die Leiter selber dahin. Sie zog auch einmal selber den voll beladenen Pferdewagen unter die Luke, denn Pferde, Mann und Knechte waren zu Felde. Klein-Vater war Augenzeuge des Geschehens. Unser Großvater Boy war mit vier Brüdern und einer Schwester ein Sohn Hannas. Der Älteste, Peter (1872-1938), war Schumacher. Danach kam Großvater Boy (1874-1956), Zimmermann, dann Rosa Amanda (1877-1978), es folgten Andreas Friedrich (1879-1925), Reinhard (1883-1967), Tischlermeister, und Adolf (1886-1969). Reinhard war später Tinnums Bürgermeister. Vater hatte in seinem Werkstattgebäude (Stichweg zur Bastianstraße) das Tischlerhandwerk erlernt. Adolf, der Jüngste, kam ums Leben, weil er zur späten Abendzeit dem vermeintlichen Taxi am Rand der Keitumer Chaussee in den heranbrausenden Lichterschein trat. Es war ein fremder Wagen mit 100 km/h in Richtung Keitum.
Als Tischlergeselle ist Reinhard Andersen hinten zu erkennen. In den 1920er Jahren zu Lehrzeiten meines Vaters hatte er als selbstständiger Tischlermeister ein Alter um die 45. Als ich ihn kennenlernte, war er für mich ein alter Mann, der mich kaum eines Blickes würdigte, weil er sich in seinem Kontor über die Geschäftsbücher beugte. Klar, dass ihn kindlicher Besuch störte. Doch auch als Lehrherr gab es gegenüber den Lehrlingen und Gesellen kaum emotionale Zuwendung. Unser Großvater Boy und Bruder Adolf strahlten uns gegenüber eine besondere Wärme aus. Großonkel Andreas wie auch Peter konnten wir nicht kennenlernen, dafür seinen Sohn Karl, Schuhmachermeister, und dessen Frau Dora, geb. Sieck, und deren Kinder Siegrid, Petrie, Karl und Hauke in zweiter Linie Cousinen und Cousins zu meinen Geschwistern und mir. Siegrid (1926-2009), Schullehrerin, heiratete Ernst-Wilhelm Stojan (1926-2018), Schullehrer, der sich auch kommunal- und landespolitisch engagierte. Beide unterrichteten an der Volksschule Westerland, beide widmeten sich mit Hingabe der Lebenshilfe auf Sylt. Zu Siegrids 80. Geburtstag waren meine Frau Barbara (1942-2006), geb. Ahlborn, und ich am 21. Februar 2006 eingeladen. Großtante Rosa wohnte in ihrem Haus an der Deckerstraße.
Flensburg 30.5.10
2-3 V. An Familie Boy Andersen Westerland Sylt Gartenstr. Eingang von
hinten
Vom besten Wohlergehen sendet Euch allen die herzl. Grüße
Reinhard. Jetzt seid Ihr wohl bald wieder alle nüchtern,
sodaß man mal wieder ein vernünftig Wort mit Euch
sprechen kann. Vor heute abend habe ich keine Zeit mehr, aber
in 10 Tagen werden wir uns mal wieder sprechen. Wie geht's Anni
und Ewald. Kann er nicht bald mal schreiben. Morgen ist schon
1 Tag verflossen seit meiner Abreise. Der 2te wird's auch wohl
arg werden. Die Karte ist bald ein bischen klein, hätte
Euch noch allerlei mitzuteilen, aber wollen wir das bis dahin
warten lassen. Bruder Adolf Grüße. Am 30.5.1910 war Vater Ewald
noch vier Jahre alt, erst am 18.11. wurde er fünf. Schwester Anni war bereits 10. Vor Schulbeginn
schon schreiben können zog sich hier und da durch die Familie.
Am 5.3.2023 erhielt ich die folgende E-Mail:
Hallo Herr Andersen,
das
ist eine interessante Seite für mich. Ich kann mich noch an das Bild mit Hanna aus Morsum erinnern, es hing im Wohnzimmer
von meinem Großvater, ist im Hintergrund auf dem Foto noch etwas zu erkennen (Reinhard war mein Großvater
mütterlicherseits). Ich habe eine Frage zu einem Foto mit Reinhard Andersen, auf dem Bild ist eine weitere Person zu
sehen, es soll ein Bruder von Reinhard sein? Vielleicht wissen Sie, wer das ist? Danke schon mal im Voraus.
Ich antwortete:
Hallo
Herr Zeitz, danke für Ihre mail, da sind wir ja über Modje Hanna und Söhne Peter, Boy, Reinhard und Adolf herkunftsmäßig
locker verbunden wie gemeinsam z. B. auch mit Siegrid Andersen, später Stojan, und ihren Geschwistern Petrie, Karl und Hauke
sowie Eltern Carl und Dora. Ich war in jungen Jahren nicht selten per Rad bei Grönwoldts in Tinnum, wo an langer Schleifkette
kurz angebundene zwei große Hunde wachten, die auf einen zurasten, mich aber zu meinem Vorteil nicht ganz erreichten, und auch
beim Großvater Reinhard in seiner Werkstatt Bastianstraße und seinem dortigen Büro, in dem er uns gar nicht so gerne
haben wollte im Nachhinein sehr verständlich. Quasi nebenan habe ich gerne mit seinem Bruder Adolf ab und zu Kontakt gehabt,
das letzte Mal im Kino Schauburg bei Moussalli, wo er rein zufällig neben mir saß. Leider ist er ja 1969 auf tragische Weise
ums Leben gekommen. Ich holte damals öfter nebenan bei Andreas Nielsen mit unserem "Blockwagen" Briketts ab und zog alles wieder
nach Haus, damals Gronau-, dann Rote-Kreuzstraße. Auf dem Bild sehe ich links am Tisch Adolf, da bin ich mir ziemlich sicher, also
Reinhards Bruder. Sollte jemand das noch bestätigen können, wäre ich sehr dankbar, auch wenn das alles nun einige Jahrzehnte
her ist und ich mich deswegen wider Erwarten täuschen sollte. Ich werde meinen älteren Bruder Gerd noch nach seiner Erinnerung
fragen. Auch deswegen möchte ich das Foto und Ihre mail mit ins Internet bringen, geben Sie mir Ihr okay? Ich grüße Sie
aus Heide, wo ich seit langem wieder wohne. Antwort am 11.3.2023:
Hallo, Foto und Mail können Sie verwenden. An die Werkstatt in der
Bastianstraße kann ich mich noch etwas erinnern. Mein Vater (R. Zeitz) hat da auch als Tischler gearbeitet. War da nicht eine
Fahrradwerkstatt auf dem Hof? Der Mann wohnte, so weit ich mich erinnern kann, in einem Bus? Ich habe noch ein Foto von meinem
Großvater gefunden mit Frau, Kind und Schwiegervater, Jan Meinert Peters, Cornelia Peters. Ob das Kind meine Mutter oder meine Tante
war, kann ich nicht sagen. Das Original war sehr stark beschädigt und existiert nicht mehr. Ich habe auf dem Foto mit Reinhard und
Bruder noch die Kratzer entfernt. Gruß Dieter Zeitz
An eine Fahrradwerkstatt kann ich mich nicht erinnern, hingegen
an den Schuhmacher Hermann Bronn (*02.07.1919,^10.11.1987), der gegenüber, direkt hinterm Wall Gartenstraße Nordseite,
in einem ausrangierten Bus arbeitete und mit Familie Jannsen, Haus Union, Ostseite Mittelstraße, befreundet war, ein
freundlich-netter Mann (siehe auch S. 20).
Wohl in den 1930er Jahren
mag dieses Feuerwehrleute-Foto anlässlich einer
Ehrung entstanden sein mit dem Großvater 3. v. li., obere
Reihe.
Der von ihm verfasste, amtlich beglaubigte Vertragstext
mit seinem Sohn zum Zweck dessen Hausneubaus lautet so: 3,- RM Urkundensteuer in Mark entwertet,
Westerland, den 10. August 1936, Clausen. Verpfändungs=Erklärung,
Nachlass= und Verpflegungsvertrag. Infolge meines Alters habe
ich heute mit meinem Sohn, den Tischler Ewald Andersen in Westerland
folgendes vereinbart. Meine gesamten Nachlaßsachen an Inventar
Geld und Wertgegenständen, sowie der gesamte Erlös
aus meiner Erbschaft der verstorbenen Maria Andersen in Archsum
geht mit dem heutigen Tage in den Besitz meines Sohnes über.
Demgegenüber verpflichtet sich mein Sohn mir bis zu meinem
Ableben, freie Unterkunft und Verpflegung zu gewähren, weitere
Ansprüche dürfen von beiden Parteien nicht gestellt
werden. Vorstehendes wird durch eigene Unterschrift beiderseitig
anerkannt. Westerland den 10. August ... Knapp, eindeutig,
besser geht's nicht.
Dabei hätte
Großvater Boy Andersen sein Haus Gartensraße 5 (Bild oben
1935) in Alt-Westerland nahe der Dorfkirche St.
Niels nicht durch Bürgschaft verloren, wäre ihm die
bleibende Geldnot seines Freundes klar gewesen, so dass der Wechsel
nicht unterschrieben worden wäre. Nun aber ging das Anwesen
an die Sparkasse, da der Wechsel nicht termingemäß eingelöst werden konnte.
Dann war Tante Maria Andersen aus Archsum, Pfauenhof, kinderlos,
hochbetagt gestorben. Zur Goldmarkzeit hatte sie ahnungslos 24.000 Mark in
der Lotterie gewonnen. Das Geld war ihr vom Geldbriefträger
des Postamtes Westerland per Fahrrad zugebracht worden. Beträge dieser Größenordnung
lagen weit außerhalb ihres täglichen Bedarfs, die waren ihr völlig fremd,
und sie hatte den ursprünglichen Einzahlbetrag wohl auch vergessen.
Nun zählte ihr der Postbeamte viele Münzenstapel je 10 × 20 Goldmark
auf den Küchentisch, und viele Scheine folgten und das dauerte.
Endlich wurde der brave Mann unterbrochen (in friesischer Sprache, die Marias erste Sprache war):
Genug! Den Rest kannst du behalten, denn da parkten schon 20.000 Mark
auf dem Tisch. Den Rest also beförderte der Beamte (vielleicht verstohlen um sich schauend) in
eine seiner Uniformjackentaschen. Nach einem Glas Rotwein ging es per Fahrrad zurück zum
Postamt im Inselhauptort da war nun einer unversehens, wenn auch rechtlich anfechtbar,
aber doch ganz heimlich und für sich allein um ein gutes Stück Geld reicher geworden.
Glaubt keiner? War so.
Unteres Bild von links:
Sohn Ewald Andersen, Tochter Anni Christiansen
geb. Andersen, Schwiegersohn Alfred (Alli) Christiansen, Mutter Alma Andersen geb. Erichsen am Haus Nr. 5,
rechts Haus Nr. 7 des Johannes Warnken (siehe auch S. 19).