Sartori & Berger, ehemals Reederei in Hamburg

 

 

 

 

Wenige Tage nach der Einnahme Havannas durch Fidel Castro und seine Kämpfer am 1. Januar 1959 liefen wir Kubas Hauptstadt an. Das bedeutete, das Hafeneinfahrtsrevier zwischen der hoch gelegenen Festungsanlage an Backbordseite und dem Hafen- und Stadtgebiet an Steuerbordseite zu durchlaufen und nach Anweisung der zuständigen Behörde zunächst an der Pier hinter einem größeren Frachtschiff festzumachen. Das geschah unweit der Festung nach Schiffswendung um 180 Grad. An einer Hafenpier festzumachen würde wohl noch dauern. So hatten wir die unangenehme Gelegenheit, an einigen Abenden, nicht über Tag, mit zwischenliegenden, unterschiedlich langen Pausen Maschinengewehrsalven deutlich zu vernehmen. Das häßliche Geräusch kam von der Festung herunter. Da wurden Anhänger des Batista-Regimes exekutiert. Das jedenfalls war die Antwort eines an der Pier unser Schiff betrachtenden Kubaners: „Fusilamiento!“, Erschießung. Das Batista-Regime war gestürzt, der Diktator samt Gefolge war geflohen, die Revolutionäre räumten mit Leuten auf, die sich politisch und weltanschaulich offen gegen Castro und die Revolution gestellt hatten.

Nun hatte Fidel Castro nach sechsjährigen blutigen Kämpfen die politische Macht übernommen. Batistas im Lande verbliebenen Anhängern drohten, wenn nicht das Todesurteil, so doch harte andere Strafen. – „Konsul Sartori“ rechts an der Pier.

Gegenüber erkennt man den Kuppelbau des Kapitols. „Konsul Sartori“ muss warten, niemand kümmert sich um das Schiff. Noch immer wird die Befreiung vom Batista-Regime mit bald anbrechenden rosigen Zeiten verbunden, in denen es dem Volk nur gut und immer besser gehen wird. Uns auf den Straßen umgebende abendliche Siegesfeiern haben immer noch nicht aufgehört, wir werden Teil der Leute, die sich umarmen, singen, sich küssen.

Rechts eine Teilansicht der „Festung“ (Fort „Castillo del Morro“). Hier sind jene Delinquenten inhaftiert, deren Leben nur noch sehr kurz sein wird. Ganz links das hoch gebaute Hotel „National“ mit seinem Spielkasino und seinem ausladenden Swimmingpool – direkt am Ufer gelegen, ein beliebter Treffpunkt auch für Seefahrer während längerer Liegezeit.

Mit einem Fährboot zur Stadtseite übergesetzt zu werden hieß auch, das allabendlich wiederkehrende „Fusilamiento“-Geräusch mit anderen, noch lauteren Geräuschen zu tauschen, dem Lärm der Stadt und vor allem dem Feierjubellärm der Einwohnerschaft. Tag für Tag, oft in langen Reihen von Bürgersteig zu Bürgersteig, wird im Rausch der anbrechenden Wohlstands- und Wohlfühlzeiten gesungen und gibt es Freudenschüsse in die Luft. Drei junge blondhaarige Deutsche sind dabei. Sie tragen, wie noch viele andere Siegersoldaten, sich kreuzende, patronengefüllte Gürtel vor der Brust, ihren Revolver an der Hüfte. „Konsul Sartori“? Null Interesse. Uns gibt es nicht. Weder wird Fracht aus Havanna geladen noch Fracht für Havanna gelöscht. Ein Teil der Besatzung nimmt Urlaub und verbringt den in der Stadt, übernachtet... nun, irgendwo in einem Hotel- oder einem sonstigen Zimmer.