Aus: Sylter RundschauRätselhafte Menschen kamen nicht selten nach Sylt seit 1855, dem Startjahr der Entwicklung des Dorfes Westerland zu einem bekannten Badeort. Unserem Elternhaus unweit war 1933 ein Rundhaus mit Reetdach entstanden. Über den Besitzer, „Graf Spiro“ aus Kapstadt, hörten wir Kinder das eine und andere vom Großvater, dem der Mann recht gut bekannt war: Stanley Joseph Grove-Spiro (1886 oder 1900-1948).

Während des Ersten Weltkriegs war der junge Spiro als Pilot in die britische Luftwaffe eingetreten. 1917 führte ihn eine Notlandung in deutsche Gefangenschaft. Die schöne, von ihm angebetete Schauspielerin Leopoldine Konstantin (1886-1965) hatte sich 1923 ein Haus im nördlichen Westerland bauen lassen. Das hatte ihren Verehrer Spiro auf die Insel gelockt. 1926 ging er nach London, wurde Bankier und durch zweifelhafte Spekulationen an der Börse zum reichen Mann. Zuvor hatte er 1921 die Engländerin Alice Stephanie Woodland (1896-1937) in Deutschland geheiratet, das sylt-bekannte Rundhaus hieß „Haus Stephanie“. Der Sohn Rex Granville Grove war 1928 geboren worden. Spiros spendables Luxusleben auf Sylt war Inselgespräch, während sich seine Persönlichkeit in London zu der einer kriminellen Finanzhyäne entwickelte, erfolgreich unterstützt von gleichgesinnten Mitarbeitern gekaufter Börsenmaklereien, deren pralle Kundenlisten dazu verführten, vielen reichen Kunden zu Gewinnen zu verhelfen mit dem Zweck der Stärkung ihres Vertrauens. Durch Aktienumtausch gegen billige Papiere wurden sie betrogen. Die Sache konnte nicht lange gut gehen. Anfang Februar 1937 verschwand Spiro aus London am Tag der Anklagezustellung. Eine abenteuerliche Flucht durch europäische und amerikanische Länder brachte ihn letztlich wieder nach London, um sich der Justiz zu stellen. Im September 1938 verurteilte ihn „Old Bailey“ zu acht Jahren Zuchthaus. Indessen verdächtigten Nazi-Polizeiorgane ihn als einen britischen Agent. 1940 setzte das Reichssicherheitshauptamt ihn auf die „Sonderfahndungsliste G.B.“: [G124 bzw. S1-141: Stanley Grove-Spiro (*17. Januar 1900 in Kapstadt, Südafrika) (Alias: Lord George Saville Drummon): Leutnant des Royal Flying Corps bzw. der Royal Air Force, (Office At Suffolk Street Pall-Mall London S.W.1.), britischer Agent; Geschäftsmann, Finanzier, Banker; vermuteter Aufenthaltsort: 18 Cottesmore Gardens, London W8 (Büro: Suffolk Street, Pall Mall, London SW1). und auch: Gesucht von Referat IVE4. S1-43: Louis Seelig   (* 6.Juli 1902 in London): Sekretär, Pilot, involviert in Angelegenheit Grove-Spiro; zuletzt gesehen in Westerland; gesucht von Referat IVE4)]. Wegen Spiros Kenntnisse über militärische Anlagen auf Sylt, besonders Hörnum, die er der Justiz 1940 preisgab, erfolgte 1942 Spiros Begnadigung, doch die Informationen nutzte die britische Luftwaffe umgehend zu zahlreichen Bomberangriffen auf Hörnum. Nach der deutschen Kapitulation 1945 richtete sich das Dänische Rote Kreuz im Spiro-Rundhaus ein, Sohn Rex verkaufte „Haus Stephanie“ 1953. 1969 wurde es Restaurant „Badische Weinstuben“, 1980 bis 2014 „Hardy auf Sylt“.
Quellen: Familiäre Schilderung, externe Zeitungsberichte z.B. wie Hintergrundkopie, ehemals „Hardy auf Sylt“-Darstellung der Haushistorie.