Aus dem Privat-ArchivDrei Sylter Bürger der (Lebens-)Kunst. Oben: Dr. med. Bodo Schütt (1906-1982), geb. in Kiel, war Facharzt für innere Medizin, nach dem Krieg praktischer Arzt und Badearzt in Westerland. Nach dem Tode von Dr. Teske übernahm er auch die Aufgaben des Kurdirektionsarztes, führte 1952 im Kurmittelhaus die Kneipp'sche Hydrotherapie ein und richtete u.a. ein Rauminhalatorium für Seewasser-Aerosol ein. Er veröffentlichte nicht nur Artikel über Schlicktherapie und Seebadekuren in Fachzeitschriften, sondern auch Lyrikbände mit eindrucksvollen Gedanken über Syltkultur, Syltnatur und ärztliches Sein, worüber er manchmal nicht weniger eindrucksvoll mit mir während einer Behandlung sprach. Darunter: Pastor Magnus Weidemann (1880-1967) vor seinem Haus in Keitum, Maler, Grafiker, Fotograf und Mitbegründer der Freikörperkultur in der Lebensreform. Siehe auch im Kapitel Philosophie seinen interessanten Aufsatz. Rechts: Hubertus Jessel (1915-2008), zu dessen 90. Geburtstag auch meine ehemalige Schulkameradin Grete Bullen, geb. Wendt, und ich die Freude hatten eingeladen zu sein, war nach Kriegsende Schulleiter in Archsum, dann Lehrer an der Mittelschule Westerland, Kunstdozent am späteren Gymnasium und viele Jahre an der Volkshochschule. Bücher über Sylt, z. B. mit „Liebgewinnen-Kompass“ als Wanderbuch mit Wander- und Radwegen, Lehrpfaden und Sylterlebnissen. Disziplin, Humor und Bewegung schienen sein Lebensmotto zu sein. Er äußerte sich auch so: Wenn die Schüler Quark gemacht haben, habe ich auch „gequarkt“. Seine Heimatinsel hat er nach allen Richtungen und bis in die geheimsten Winkel erwandert, kannte die Geschichte und Sagen der Insel genau, war mit Farblichtbildvorträgen in Veranstaltungsprogrammen vertreten und schrieb fundierte Sylt-Artikel für das Kulturmagazin.

Aus dem Privat-ArchivSven Hansen, ein damals junger Mann aus Kampen, gilt seit Mitte der 1950er Jahre als vermisst. Alle, die ihm nahe standen und auf ein Lebenszeichen hofften, mussten nach schmerzlichen Zweifeln zunehmend befürchten, dass es ihn nicht mehr gibt. Mit Sven verband mich eine kurze Fahrenszeit auf dem Küstenmotorschiff „Gorch Fock“. Als ich später von einem anderen Schiff abmusterte und nach Hause kam, hörte ich, dass er sich im Mündungsbereich des Delaware River plötzlich morgens nicht mehr an Bord seines Schiffes befand. Ich radelte nach Kampen, seine Mutter empfing mich, indem sie ihre Küchenarbeit unterbrach, und bestätigte in Hoffnungsgewissheit den Vorgang, der ihr zugetragen worden war, und war sich sicher, dass ihr Sohn sich bald melden würde. Sven war ein sehr angenehmer Bordkamerad, seine sonore Stimme zu vergessen ist mir nicht möglich. – Weniger tragisch und dennoch schmerzhaft war, dass mein geliebter Hund Sandy, als ich dreizehnjährig von der Schule nach Hause kam, verschwunden war, aber auf dem Festland sei. Ich rannte zum Bahnhof, um das Festland zu erreichen, doch die liebe Mutter, vom Vater hingefahren, erwartete mich dort und gestand, dass Sandy vom Tierarzt eingeschläfert werden musste; er war nach einem Jahr zu teuer geworden – 1950, es war noch eines der wirtschaftlich kargen Jahre. – Am wenigsten trauerte man dem Aus der Bundesbahn-Dampflokomotiven oder der letzten Zugfahrt der Sylter Inselbahn 1971 nach. Und dennoch: Die Inselbahn zumindest wäre seit den Jahren der verstopften Autostraßen eine großartige Entlastung gewesen und nicht nur eine Touristenattrakton, aber die Gemeinden hätten beträchtlich zur Erneuerung des gesamten Gleiskörpers beitragen müssen.

Aus dem Privat-ArchivDie 1911 eröffnete Mittelschule in Westerland bot zahlreichen Schülern außer denen, deren Eltern die Kosten zur Niebüller Oberschule tragen konnten, eine schulische Ausbildung hoher Qualität, wofür die Lehrerschaft verantwortlich sorgte. Damals entstand ein Baracken-Progymnasium, das erst später abiturberechtigt wurde. Wir 24 Jungs hatten sechs Mädchen in den Klassen zur Seite, von denen fünf zu sehen sind (Jenny Habeck, Ingrid Kuhring, Cilly Jensen, Elke Gantzel, Sylta Schönfeld – Heinke Wenzel fehlt), hinter ihnen ein noch freies Feld und das nicht mehr existierende Haus Germania. Neben den Standardfächern Deutsch, Mathe, Physik, Chemie, Englisch, Erdkunde gab es Französisch, Kunst- und Werkkunde, Musik, Sport, Geschichte, Religion, dazu vielfach Theaterliteratur, Theaterbesuch, kleine Klassentour, große Klassenfahrt, eine aus einer klassischen Prosa-Erzählung von uns dialogisierte Abschluss-Theateraufführung im voll besetzten Westerländer Theatersaal, bei der unser Regisseur und Deutschpauker Hans Ingwersen der Dreistigkeit der vier „Herren“ wehrlos ausgesetzt war, indem diese Herren (Karl-Heinz Wilkens, Adolf Matzkus, Thies Clemenz, Erich Andersen, dazu „Graf“ Georg Lippert) vor Publikum statt Attrappen echte Zigaretten rauchten, deren Qualm über die ersten Reihen zog. Hinter dem Vorhang, wo er agierte und auch die Bühnenaktiven durch einen Schlitz beobachtete, begann er nach der ersten Erstarrung dann doch vor sich hin zu lächeln. Musik wurde von uns Schülern auch gemacht, wie hier (Erich Andersen, Karl-Heinz Wilkens, Dieter Tonn, Hans-Georg Christiansen) auf Ehrenbreitstein während der Klassenfahrt, was bedeutet, dass die Instrumente mit auf die tagelange Reise genommen wurden.

Aus dem Privat-ArchivIsle of Sylt – German Life! Da gab es die nördlichste Hafenbar Deutschlands, extrem gemütlich, kontaktlocker mit jeder und jedem hinter dem Tresen und in der abendlich-zufälligen Tischrunde, aus der man manchmal die gestern gewonnene Bekanntschaft am FKK-Strand des Ellenbogens bestgelaunt fortführen konnte. Da gab es die Beschaulichkeit der nördlichsten Gemeinde List (Westerland war nördlichste Stadt), hier ein Blick ins Mannemorsumtal. German Life am Yachthafen Munkmarsch, hier im Aufbau begriffen, aber vom Hochwasser des Wattenmeeres überrollt. German Life in Kampen muss an dieser Stelle nicht erwähnt werden, das war und ist in dafür zuständigen Blättern leserwirksam beschrieben und bebildert, oft überzogen, als sei Sylt die Insel der Schönen und der Reichen anstelle ihrer ganz normal lebenden und arbeitenden Bürgerschaft. Anmerkung: Beruflich und privat lernte ich in den 1950er-/1960er Jahren schöne und reiche Menschen besonders in Kampen in Gesprächen kennen, aus denen sich Persönlichkeiten offenbarten in sympathischer Analogie zu denen in der „ganz normal lebenden und arbeitenden Bürgerschaft“, mit allein dem Unterschied, dass etliche davon aus ihrer Familiengeschichte heraus wohlhabend waren oder darum, weil ihre Prominenz und ihr Wohlstand vielen Mitgliedern des normal lebenden Volkes zu verdanken war, die künstlerische Leistungen bewunderten und zahlungskräftig honorierten, beispielsweise durch den beachtlichen Schallplattenkauf in der schönen Schallplattenbar im Radiohaus Schröter.