Unsere
Klärung soll gründlich sein. Darum frage ich: Begreifen
wir überhaupt, was ein Begriff eigentlich ist?
Gewiss ist er immer eine Denkform, nicht eine Wirklichkeit;
eine Denkform in Wortform geprägt. Die Formung eines Gedankens
ist schon ein großes Wunder und durchaus nicht selbstverständlich.
Sie setzt vieles voraus und braucht einen langen Weg zur Entstehung.
Nur Menschen und höchstentwickelte Tiere können in
Begriffen denken, Tiere nur unvollkommen, im Inhalt auf den eigenen
Lebenskreis begrenzt und eingegrenzt auf Instinkt und Gefühl.
Menschen können theoretisch unbegrenzt und klar bewusst
in festgelegten, geprägten Formen, ja Formeln denken; das
setzt Geist voraus, den nur sie anzuwenden wissen.
Zum
Denken gehören das denkende Subjekt und ein Objekt oder
mehr als eines. Die Objekte stehen in Beziehung zur Welt-Wirklichkeit.
Auch das Denken selbst kann oder die Gedanken selbst können
zum Objekt menschlichen Denkens werden. Denken ist eine Lebensfunktion.
Es setzt die Lebendigkeit der Denkorgane, somit das Leben
an sich konkret und abstrakt voraus. Dem Menschen ist das
Denken in Begriffen schon zur Gewohnheit gemacht, er findet alles
dafür bereit und wundert sich nicht darüber. Am Anfang
stehen Sehen und Hören, das Leben der Seele wie auch beim
Tier. Die Augen geben uns ein Bild der Wirklichkeit und wir wissen,
dass es ein Abbild ist. Wir hören Töne, auch geformte
Worte, und wissen, was sie andeuten. Die logischen Zusammenhänge
zur Wirklichkeit draußen vermittelt ein ganz besonderes
Organ: das Gehirn mit seinem Nervensystem. So ist alles vorbereitet
und führt zu seinem Ziel: die Welt begreifen.
Subjekt und Objekt sind eingeordnet in die absolute Wirklichkeit
(Wirkung) der Existenz. Gehören Begriffe
und Denken nun auch zur realen Existenz?
Das ist nicht unbestritten. Der Dialektische Materialismus
(DIAMAT) will eine Grenze dazwischen setzen. Ihm
gilt als Wirklichkeit allein die Materie samt ihrer
formal-kausalen Bindung. Nur das Konkrete ist ihm
Welt und Natur. Das Abstrakte
ist ihm Schein oder Phantasie. Diese Begrenzung haben wir hier
schon abgelehnt. Wir haben das abstrakte Leben an sich
mit in die Existenz als die absolute Wirklichkeit
eingeordnet. Gerade in der Existenz der All-Welt ist die Stufenfolge
(Eskalation) von Anfang bis zum Ende hin und mit polarer Beziehung
zum Leben so evident, dass uns eine Gedankenbegrenzung
auf das Konkret-Materielle unmöglich wird.
Zur
Klärung der Grundbegriffe müssen wir uns die ganze
Stufenfolge der Existenz ins Bewusstsein rufen!
Da sind zunächst Vorstufen, das leblose Sein.
Die am meisten abstrakte Stufe des Daseins im Weltall zeigt uns
das Licht. Unbegrenzt in Raum und Zeit und unsichtbar für
uns wirkt es als eine Strahlung, die nur wir in Lichtgeschwindigkeit
messen können. Trifft diese Strahlung auf etwas Konkretes,
so wird sie gebrochen, abgelenkt, zerlegt und erst dann in Farben
als Licht sichtbar. Damit wir sehen können, ist aber unser
Leben selbst schon eine weitere Voraussetzung. Das Sonnenlicht
ist bereits begrenzt, konkret und relativ. Wir erleben es in
unseren Erdengrenzen. Es kommt uns schon fast nicht mehr leblos
vor. Zur Erscheinung (und zum Begriff) kommt zu uns die Atmosphäre
mit den Elementen Luft und Wasser in geordneter, ständiger
Bewegung, und doch, im engeren Sinne, leblos, wie auch die mineralische
und chemische Natur leblos bleibt und damit im Grunde
unsere ganze Erde. Tatsächlich: Nur das
Leben lebt, erkennbar in allem Lebendigen.
Damit ist in der Existenz eine ganz besondere, einzigartige Stufe
überschritten. Hier fängt eine ganz neue Daseinsstufe
an. Oder genau gezählt: Drei deutlich aufgestufte Lebensreiche!
Sie sind die eigentlichen Hauptstufen in der Existenz, wenigstens
im Bereich unserer irdischen Umwelt. Diese drei Hauptstufen müssen
wir besonders zu begreifen versuchen, wenn wir verstehen
wollen, was Leben denn eigentlich ist. Im
Pflanzenreich, im Tierreich, im Menschsein ordnet sich alles
Lebendige ein. Vergleichen wir das mit dem leblosen
Sein der oben genannten Vorstufen, dann muss uns sofort fühlbar
werden, wie mit dem echten Leben etwas ganz unvergleichlich
Neues, Anderes in die Existenz der Welt
hineinkommt! Auf diesen Stufenunterschied wollen wir nun achten.
Jeder
der drei Lebensbereiche zeigt die eigenen Lebensphänomene.
Aber nicht nur für sich selbst, sondern auch für die
beiden anderen mit vorbestimmt und eng mit ihnen verbunden: durch
Leben auch als ein gemeinsames Miteinander. Die
Polarität (Einzelheit, Allheit) wirkt sich aus, und durch
alles hindurch auch die Aufstufung, hin zu einer Zielsetzung.
Diese existiert oder wirkt an sich und abstrakt
und wäre etwa als das All-Leben zu begreifen
und zu benennen.
Das Pflanzenleben
Eine
Pflanze ist nicht ein Bruchstück von Materie. Sie ist
ein als Individuum organisiertes Einzelwesen, ein Einzellebendiges,
aber im Lebensverband mit Unzähligen seinesgleichen. In
diesem Bezug hat jede Pflanze vor allem ihre Gestalt, ihre geprägte
Gestaltung. Das ist wohl ein Grundkennzeichen des Lebens.
Das haben auch die Tiere und die Menschen in ihrer Art, allerdings
anders aufgestuft und organisiert.
Die
Gestalt der Pflanzen ist bestimmt durch ihre Gebundenheit an
einen festen Ort. Dafür bildet das Leben ihre Glieder als
Wurzel, die am Erdboden festhält, als Stängel oder
sonstige Verbindung für den Aufbau; daran einzelne Organe
wie Blätter, Blüten und alles, was dem Aufbau, Fortbestand,
Stoffwechsel und der Fortpflanzung dient. Denn das Lebendigsein
der Pflanze ist auch zeitlich begrenzt, festgelegt in den Jahreszeiten
und der Lebensdauer im Ganzen. Das sind die Erscheinungen und
Bedingungen der Existenz, die sich nur für das Leben eignen.
Hinzu kommt die feste Regelung der Formbildung im Teil und im
Ganzen: Ordnung, Stil, Charakter der Art je nach dem bestimmten
Lebensumkreis. Aber seltsamerweise nicht nur für diesen
allein, sondern zugleich für vorbestimmte Leistungen im
Dienste besonders auch für das Tier- und das Menschenreich.
Die Pflanze schafft nicht nur Nahrung für sich, sondern
auch für das Leben der nächsten Stufen. So vielseitig
wirkt sich die Lebendigkeit auch als All-Leben"
aus!
Das Tierleben
An dem,
worin das Tierleben dem Pflanzenleben gleicht, erkennen
wir deutliche Wesensmerkmale des Lebens an sich
und doch auf einer anderen Stufe. Was ist anders? Besonders
die Möglichkeit der freien Eigenbewegung ist anders, und
hier gehört etwas dazu; das gibt ein ganz anderes Leben.
Hier muss man mehr von der Welt kennen, also erkennen, also:
sehen können! Dadurch weiß man, was es in der Welt
gibt, und natürlich weiß man erst jetzt, was und wie
man selbst ist! Erst vom Sehen kommt Seele
ins Leben hinein. Und das gibt wirklich eine höhere
Stufe in der Existenz. Das Erkennen und das Wissen schaffen das
Wollen und das Wählen, schaffen die Freiheit und die Freude.
Von alledem wissen die Pflanzen nichts, ihr Leben ist passiv.
Tiere sind aktive Wesen. Ist dieser Unterschied nicht gewaltig
und wunderbar? Da bildet das Leben ganz neue Organe aus: Augen,
Ohren, Nerven, Muskeln, bewegliche Glieder, Füße zur
Fortbewegung, Flügel, Flossen und so weiter. Und diese Seele,
die das alles gebrauchen und anwenden will und kann, sucht bald
nach gewissen Gebärden und Lauten, um untereinander Mitteilung
und Verbindung zu finden. Wir wollen es noch nicht Sprache
nennen, aber es ist schon eine Vorstufe möglich, es ist
auf dem Wege dahin. Denn nur noch ein wenig schafft das Leben
sich selber weiter.
Das Menschenleben
Was
bleibt für die Aufstufung übrig? Anscheinend gar nicht
mehr viel. In der Gestaltung der lebendigen Form und des Gebrauches
der Glieder und Organe unterscheiden sich Tiere und Menschen
kaum. In der Erhaltung und Fortpflanzung und in der Gemeinschaftspflege
gleichen sie sich fast. Ein ganz großer Unterschied ist
aber doch da. Das Leben hat für das Denken der Seele ein
größeres Ausmaß ermöglicht und vorbereitet,
und doch immer noch im Rahmen der Existenz des Lebens und der
Eskalation in Richtung desselben Zieles All-Leben.
Das
ganze Leben erfasst auch das höchstentwickelte Tier mit
seiner Seele nicht, denn sein Denken, Erkennen und Wollen begrenzt
sich auf die eigene vitale Existenz. Der Mensch aber soll weiterdenken.
Ihm, nur ihm, gab das Leben alle aufgestuften Organe
dazu: das kompliziert geordnete Gehirn, um in geformten und geordneten
Begriffen theoretisch auch die ganze Welt
konkret wie abstrakt zu erkennen und zu nutzen in Worten,
die die Gemeinschaft und die Dauer festhalten. Erst so ist
die Zielstufe des Lebens erreicht und in die absolute
Wirklichkeit der All-Existenz eingeordnet. Auf das unbegrenzte,
abstrakte All kommt es an. Im Begriff der All-Existenz
erfassen wir die rätselhafte Polarität der realen Wirklichkeit
und des ideellen Denkens in Begriffen, im Wissen und Wollen,
im Gestalten und Mitteilen. Das wieder ist eine ganz abstrakte
Welt für sich. Und diese ist in ihrer Allsamkeit nur dadurch
möglich, dass in uns denkenden Menschen das
geistige Leben als die höchste Sonderstufe der All-Existenz
alle nötigen Organe bereitgestellt findet und sinngemäß
zu benutzen weiß. Das kann für lebendiges Denken und
Erleben nicht Zufall heißen.
Diese
Ahnung eines zugrunde liegenden Zielwillens führt zur letzten
Klärung aller Widersprüche. Die All-Existenz leitet
durch ihre polare Eskalation unsere Seele selbst zu der Erkenntnis:
Alle kausale Verbindung in der Welt-Wirklichkeit ist auch im
Rückwärtsschauen sichtbar als von Anfang her gewollte
Zielstrebigkeit: Ein Allwille am Anfang muss das sein, was die
ganze Waltung der Welt als abstraktes Urmotiv, als Motor
in Bewegung bringt. Ein Allwille, zugleich auch Allwissen und
Allmacht, als abstrakte, also unbegrenzte Urpotenz denkbar und
begreifbar, wäre dann, wahrlich im Grunde,
genau das gleiche, was als Grundbegriff für die besondere
Denk- und Sprechweise der Religionen bestimmend ist: Wir finden
hier in formal abstrakter Begriffsform die Gottesidee! Genau
das gleiche! Diese Denksynthese ist entscheidend wichtig für
unsere Zeit als letzte Klärung der Grundbegriffe. Der große
scheinbare Widerspruch in den Lebensanschauungen und Denkantithesen
wird in einer Synthese plötzlich überbrückt. Dieser
abstrakte Begriff All in der geistigen Ausweitung
kann auch vom heutigen jungen, freidenkenden Menschen, ganz ohne
Traditionen, begriffen und als Existenzwirklichkeit ahnend
verehrt werden. Damit wäre ein wenigstens duldendes Verständnis
auch für das religiöse Denken (und Sagen und Wollen)
gewonnen. Wir (wir alle!) werden beim Selbsteinfühlen
in diese Denkwelt sogar die vollkommen transzendente, synthetische
Formel für ein All-Denken und All-Leben fertig vorfinden:
im Christentum. Es soll nur der Christus recht verstanden sein!
Er sagt uns alles Notwendige zur Grundbegriffsklärung
in seiner ausdrücklichen Definition (Joh. 24) der Gottesvorstellung:
Gott ist Geist! Das führt er weiter
aus, lebensnah, aber immer abstrakt: Die Ihn anbeten, müssen
Ihn im Geist und (also) in der Wahrheit anbeten!
Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird
euch frei machen! Solches alles habe ich zu
euch geredet, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude
vollkommen sei! Hier haben wir schon die ganze erlösende
Synthese. Denn frei heißt ja erlöst
von allem Fehldenken, von aller konkreten Begrenzung.
Die abstrakte Wahrheit ist frei! Für jeden Einzelnen ist
hier der Weg zur Grundbegriffsklärung schon frei. Er hat
unser Vertrauen gewonnen, wir nennen uns ja nach ihm Christen.
Er aber spricht, sehr bestimmt gezielt: Denkt anders!
Gott ist Geist! Das ist der Weg. Es ist ein
Weg: Der Weg des Geistes und des Lebens beides ist eins,
aber in polarer Gegenläufigkeit.
In
diesem Sinne habe ich schon vor vielen Jahren auch wissenschaftlich
viel ausführlicher geschrieben: Selbstkritik des
Christentums. Dafür wird ein Verleger gesucht! Wer
interessiert sich vielleicht dafür? Ich würde für
eine erste Auflage kein Honorar erwarten. Es könnte sich
aber später lohnen, denn es ist ein hochaktuelles Thema.
Auch für diese hier vorliegende kurze Schrift suche ich
einen Verleger. Einstweilen ist für diese Schrift Nachdruck
sogar erwünscht, ohne jeden eigenen Anspruch, auszugsweise
oder ganz. Mir liegt nur an der Verbreitung dieser leitenden
Ideen zur Denksynthese.
Es
ist stets der eine Weg: Vom Allgrund her, vom Allgeist, Allwissen
und Allwillen, wozu wir gewöhnlich einfach Gott
oder Gottheit sagen, geht auch das religiös
formierte Denken diesen Weg durch die Weltwaltung der
absoluten, kosmischen Existenzordnung hindurch bis in unser menschlich
einzeleigenes Geistleben hinein. Wir erleben es geistig als allsam,
als dem All urlogisch verbunden. Wie man den Urgrund, den Wirkungsmotor
schließlich nennen will, das bleibt uns frei. Niemals werden
sich alle Menschen in Wort und Begriff ganz und gar einigen.
Es ist aber ein Geistdenkweg möglich: vom All zum Einzel,
vom Einzel zum All. Wir schauen hier wie in ein Spiegelbild.
Ich gehe diesen Weg: Geist Allweltexistenz Leben
Menschsein Gott ist Geist.
Das Leben lebt!
Und ist viel mehr als wir! Es lebt
in mir, in dir, und immer hier. Es ist die Kraft, die
alles Wirken treibt. Wir bleiben nicht, das Leben aber bleibt.
Der Geist kann uns die volle Wahrheit geben: Wir glauben an ein
Ewiges: Das Leben! Das ist das Allgewollte, das All-Leben
für alle Menschen denkbar, fast denknotwendig, aber
abstrakt, frei von aller Begrenzung.
Keitum (Sylt), Magnus Weidemann