Aus dem Buch:
Wie ich lebe
Das ganze Leben sittsam behandeln
mag ich nicht,
das ganze Handeln logisch bedenken
kann ich nicht,
das ganze Denken gefühlvoll beleben
darf ich nicht.
Doch teilweise muss ich's tun
und teilweise soll ich's lassen,
wenn Herz oder Hirn ruhn
hätte ich aufzupassen.
Was mir lieb
versuch ich zu halten,
was schön
versuch ich nicht umzugestalten,
was neu
erfüllt mich mit Wissbegieren,
was bös
versuch ich zu ignorieren.
Und wem alle Worte zu nah,
die Sterne zu weit,
der erfüllt mich mit Gleichgültigkeit.
Der Buchtitel ist auf die eigentliche Lebensleistung des Arztes Dr.
med. Knud Ahlborn bezogen, der 1919 den Abriss verlassener Militärbaracken
auf Sylt verhinderte, um ein freideutsches Jugendlager entstehen
zu lassen, das Grundlage wurde für ein Kindergenesungsheim
bis hin zur Volkshochschule Akademie am Meer mit Angebot von
Seminaren aller Art und Unterkünften für jeweils interessierte
Teilnehmer.
Die Familienspuren führen in die interessanten Verflechtungen
der Ahnenreihe zurück. So sind die Lebensbilder
von Angehörigen der großen Ahlborn-Familie in das
jeweils historische Umfeld-Geschehen eingebettet, auch das
des Forschers Prof. Dr. Friedrich Ahlborn, dessen Sohn Knud
aus Sicht seiner eigenen Familie, aber auch aus Sicht seiner
Mitarbeiter, Mitstreiter und derjenigen, die ihn besser als nur
gut kannten, in Kenntnis dieser gestandenen Persönlichkeit
wohlwollend-kritisch-unterhaltsam beschrieben wird.
Plattdeutsch in all seinen Regionaldialekten ist eine immer noch gesprochene und literarisch verschriftliche Umgangssprache, auch wenn mit dem Niedergang der Hanse um 1500 das Mittelniederdeutsche als Verkehrssprache an Bedeutung verlor und die Luthersprache in ihrer umfassenden Verbreitung den Grund legte für eine überregionale deutsche Hochsprache. Ein neuer Aufschwung entstand in der niederderdeutschen Mundartdichtung des 19. Jahrhunderts, aus der sich neben anderem der Dorf- und Seefahrtsroman, der sozialpsychologische und -kritische Roman entwickelte sowie erweiterte Lyrik, Theater- und Hörspieldramatik. Längst gibt es zahlreiche Literatur in zahlreichen Qualitätsstufen; in diesem Buch findet man Erzählungen fern von reiner Fantasie, dafür als Erinnerungen an Änderungen, die sich in Land- und Seefahrtberufen durch Politikeinwirkung und technischen Fortschritt ergeben haben.
Autobiografisch durchsetzte Romane gibt es zuhauf, auch nicht nur, um dem Leser erzählerisch die gute menschliche Textverfasserseele unterzujubeln. Was notwendig bleibt, ist der Abstand zum Selbsterlebten, indem zum Beispiel ein anderer Mensch als ein Er oder als eine Sie und nicht als das Autor-Ich oder das Autorin-Ich dieses Selbsterlebte erfahren hat. Das bloße Ich-Selbsterlebte reicht allerdings für gewöhnlich nicht aus, oft muss da etwas zugesetzt werden, um die Leserschaft lesefreudig zu halten. Dieses Buch nun darauf auszurichten war nicht der Anlass, es zu schreiben, Anlass war, einen Menschen darzustellen, dem Heimat ist, wo er sich wohlfühlt, und den es schmerzt, wenn Gartenzaun, Stadtmauer, Staatsgrenze als Toleranzgrenze fungieren gegen alles Menschsein darüber hinaus. Es macht reich, den Denkhöhlenausgang zu verlassen, um das Kreuz des Südens gefühlvoll mit dem Großen Wagen im Norden zu verbinden.
Es ist ein Unterschied, ob einer erzählt, was ein anderer erlebt hat, oder ob einer es selber erzählt, wenn er darüber hinaus zum Farbstift greift, um das Erzählte ins Bild zu setzen. Genau das hat Hänner getan, als er noch in Danzig lebte, bevor er die Heimatstadt 1946 im Alter von eben 12 Jahren infolge Rausschmiss mit der Familie verlassen musste und auf Sylt landete. Hier zeichnet er weiter, wird zu Neunjährigen in die Schulklasse gesteckt, weil er zu Hause drei Jahre lang ausgeschult war, und bewahrt gottlob einen großen Teil der beeindruckenden Zeichnungen. Er wird zu einem warmherzigen, lebenskritischen, musisch begabten Mann, erlernt einen technischen Beruf, Familiengründung, Arbeit in Aufstiegsjahren mit allgemeinem Wohlstandszuwachs, Wohlstandsmissbrauch, Wertewandel, Paradigmenwechsel, bleibt bescheiden bei sich selbst als ein denkklarer, interessierter, fragender, antwortender, liebenswerter, ehe- und freundschaftstreuer Mensch.
Sichtweiten sind ja nicht Sichtweisen, Sichtweiten zeigen nur Entfernungen, bis zu deren Tiefen ein Bestimmtes zu bedenken versucht wird, um es als ein Neues oder ein Ergänzendes in sich selbst schlüssig zu begreifen. Anläufe gibt es genug, das lässt sich auch satirisch darlegen, Konfrontationen auch, wenn sich warmummanteltes Gewohnheitsdenken von horizontüberschreitendem Wissenwollen eiseskalt abwendet. Macht nichts, Weiten sind kurz oder lang, alles ist relativ, warm kann kalt, oben kann unten sein. Verhältnismäßigkeit bestimmt das ganze Universum, seine Prinzipien kann man falsch denken, sie selbst aber bleiben zeiträumlich immer dieselben.
E.R.A., im Jahr 2019